Nachhaltigkeit als Strategie: Eine neue Dimension im Supply Chain Management

"Who Cares Wins" – das war der Titel des ersten ESG-Berichts aus dem Jahre 2004. Auch 20 Jahre später beweist sich diese These. Mehr denn je. In der wettbewerbsintensiven globalen Wirtschaft ist die Übernahme nachhaltiger Praktiken in der Lieferkette nicht nur eine moralische Entscheidung, sondern vielmehr eine strategische Notwendigkeit. 

Inhaltsverzeichnis

Unternehmen die diese Veränderung ignorieren, übersehen nicht nur ethische Bedenken – sondern spielen auch mit ihrer zukünftigen Tragfähigkeit. Eine McKinsey/NielsenIQ-Studie verdeutlicht einen bemerkenswerten Wandel: Während der Pandemie haben beeindruckende 78% der US-Verbraucher:innen ihre Einkaufsgewohnheiten aufgrund von Nachhaltigkeitsaspekten geändert. Ein neuerer McKinsey-Bericht bekräftigt diese Ergebnisse. Dieser Paradigmenwechsel erfordert von Unternehmen nicht nur eine Überprüfung ihrer Logistik, sondern auch eine Neugestaltung ihres gesamten betrieblichen Ansatzes. Das ist gut für den Planeten. Und für die Profitabilität. Die eigentliche Frage lautet daher: Wie schnell können sich Unternehmen anpassen, um ihren Wettbewerbsvorteil voll auszuspielen? 

Herausforderungen von Nachhaltigkeit in Lieferketten

Wären da nur nicht die ganzen Hürden – Supply Chains sind eine Reihe von komplexen Herausforderungen, die mit wirtschaftlichen und sozialen Aspekten globaler Geschäftsabläufe verflochten sind. Doch Unternehmen können diese auf vielfältige Weise beeinflussen. Damit befassen wir uns in diesem Artikel.

Umweltauswirkungen

Die erste und wahrscheinlich dringendste Herausforderung ist die Umweltbelastung der gesamten Lieferkettenprozesse. Dazu gehören der Ausstoß von Kohlenstoffemissionen, die Produktion von Abfällen und die Erschöpfung natürlicher Ressourcen. Traditionelle Lieferketten sind oft linear: Güter werden hergestellt, genutzt und entsorgt. Was natürlich zu enormen Abfall und zur Umweltverschmutzung führt. Unternehmen stehen zunehmend unter Druck, ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Denn dieser Druck kommt von vielen Seiten: Verbraucher:innen (wie eingangs erwähnt), Regulierungsbehörden, die unternehmenseigenen Corporate Social Responsibility-Richtlinien (CSR) und nicht zuletzt das Pariser Abkommen (1.5-Grad-Ziel).

Regulatorische Einhaltung

Als nächstes stellt die regulatorische Einhaltung eine gleichermaßen bedeutende Hürde dar. Mit der Verschärfung der Umweltvorschriften durch Regierungen weltweit müssen sich Lieferketten schnell an neue Gesetze (wie unter anderem das Lieferkettengesetz) anpassen. Dies umfasst alles von der Reduzierung von Emissionen bis hin zur Gewährleistung, dass Produkte umweltfreundlich hergestellt und entsorgt werden. Der EU Green Deal und ähnliche Initiativen weltweit zwingen Unternehmen zu strengerer Einhaltung und beeinflussen stark, wie Lieferketten von Grund auf gemanagt werden.

(Abb. 1: Externer Druck zwingt Unternehmen dazu, der ökologischen Nachhaltigkeit Vorrang zu geben, BCG)

Soziale Verantwortung

Soziale Verantwortung ist ein weiterer wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit. Dies umfasst die Gewährleistung fairer Arbeitspraktiken und die Einhaltung der Menschenrechte entlang der Lieferkette. Das gestiegene Bewusstsein der Verbraucher:innen hat zu einer erhöhten Nachfrage nach Transparenz geführt – was Unternehmen dazu drängt, mehr über ihre Lieferkettenpraktiken offenzulegen und sicherzustellen, dass sie ethisch und fair sind.

Technologische Integration und wirtschaftliche Tragfähigkeit

Künstliche Intelligenz (KI), Blockchain und das Internet der Dinge (IoT) bieten spannende Möglichkeiten, um Lieferketten transparenter und effizienter zu gestalten. Doch das erfordert teils nicht unerhebliche Investitionen in Bezug auf Geld und Schulungsbedarf. Auch die Wirtschaftlichkeit nachhaltiger Praktiken ist eine weitere Herausforderung, da es eine gewisse Zeit braucht, um den Aufwand zu amortisieren. Diese anfänglichen Kosten sind insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eine bedeutende Hürde. Unternehmen müssen weise entscheiden, in welche Technologien sie investieren, um sicherzustellen, dass diese tatsächlich Mehrwert bieten und die Nachhaltigkeit verbessern.

Diese Herausforderungen stehen in Verbindung zueinander und beeinflussen sich oft gegenseitig. Ihre Bewältigung erfordert einen umfassenden, integrierten Ansatz, der Umwelt-, soziale und wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt. Im Zuge der weiteren Entwicklung müssen Unternehmen innovativer und proaktiver werden, um Nachhaltigkeit in jeder Ebene ihrer Lieferketten zu integrieren, um sicherzustellen, dass sie in einem sich schnell verändernden globalen Markt widerstandsfähig, compliant und wettbewerbsfähig sind.

Resilienz durch Technologie aufbauen

Resilienz durch Technologie ist im Streben nach Nachhaltigkeit unerlässlich. Lieferketten weltweit nutzen die Chancen fortschrittlicher Technologien, um widerstandsfähiger und anpassungsfähiger zu werden. Dieser Wandel entscheidet klar darüber, wie Organisationen auf plötzliche Marktveränderungen und langfristige Umweltziele reagieren können.

Künstliche Intelligenz im Supply Chain Management steht bei dieser Transformation natürlich an vorderster Front. Sie verbessert die Entscheidungsfindung durch vorausschauende Analysen (Predictive Analytics) und sorgt dafür, dass Unternehmen Disruptionen vorhersehen und sich schnell anpassen können. Predictive Analytics ist die Grundlage vieler Innovationen im SCM: Demand Forecasting, Demand Planning, Bestandsmanagement, Automatisierung von Prozessen und Abläufen im SCM, Optimierung der Lieferwege, schnellere Lieferzeiten und vieles mehr. All diese Maßnahmen reduzieren den Kohlenstoffausstoß (Dekarbonisierung) und die Verschwendung von Ressourcen beträchtlich.

Die Blockchain spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle – sie sorgt für mehr Transparenz in der Lieferkette. Sie gewährleistet ferner die Rückverfolgbarkeit von Waren vom Ursprung bis zum Endverbraucher:innen und hilft bei der Einhaltung von Umweltstandards. Und sie bekämpft auch Probleme wie Betrug und Produktfälschungen, besonders in Verbindung mit IoT. Diese Transparenz hilft nicht nur, die betriebliche Integrität zu wahren, sondern auch das Vertrauen der Verbraucher:innen.

Das Internet der Dinge (IoT) verbindet physische Assets mit digitalen Funktionen und ermöglicht so die Überwachung und Verwaltung von Ressourcen in Echtzeit. IoT-Geräte können den Energieverbrauch verfolgen und die Lagerbestände überwachen. Mit den modernen IoT-Tracking-Geräten können sogar einzelne Pakete verfolgt werden. Die Reduzierung von Verlusten im Transportwesen ist ein großes Thema (verlorene Pakete, Beschädigungen, Diebstahl und Fälschungen) und hier kommt die Verfolgung einzelner Pakete ins Spiel. Abgesehen davon, dass das Unternehmen viel Geld spart, macht es den Versand viel effektiver und verhindert so auch Kohlenstoffemissionen.

Den größten Hebel stellt die strategische Verknüpfung aller drei Technologien dar. Die Kombination von KI, Blockchain und IoT stellt sicher, dass die Lieferketten verschiedenen Belastungen standhalten können – von ökologischen bis hin zu wirtschaftlichen – und erweckt die Widerstandsfähigkeit zur Realität.

Strategische Initiativen der digitalen Transformation

Die digitale Transformation hat die Grundlage für diese neuen Technologien gelegt. Auch in puncto Nachhaltigkeit müssen Prozesse von Grund auf neu gedacht werden. Strategische Initiativen im Zuge der digitalen Transformation erzeugen die gewünschte Wirksamkeit und ermöglichen oftmals erst Technologien wie Data Analytics, KI oder RPA (Robotic Process Automation).

Cloud Computing ist hier im Zentrum. Die Cloud stellt die Infrastruktur bereit, die für die effiziente Erfassung, Speicherung und Analyse großer Datenmengen nötig ist. Mit cloudbasierten Systemen können Supply Chain Manager von jedem Ort aus auf Echtzeitinformationen zugreifen – dadurch wird es einfacher, schnell fundierte Entscheidungen zu treffen und Prozesse zu optimieren sowie die Verschwendung von Ressourcen zu reduzieren.

Navigieren durch die Regulierungslandschaft

Der globale Wandel in Richtung Nachhaltigkeit hat zu einer entsprechenden Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Lieferketten geführt. Für Unternehmen ist es nicht einfach, sich in diesem Regelwerk zurechtzufinden. Dieser Bereich fällt in gewissen Branchen auch ins Risikomanagement.

Regulierungen wie der Green Deal der EU legen strenge Maßstäbe für die Reduzierung von Kohlenstoffemissionen und die Verbesserung von Recycling-Protokollen fest. Jedoch schreiben diese Regulierungen nicht nur Veränderungen vor, sondern ermutigen die Unternehmen auch zu innovativen Umweltkonzepten.

Auch in den USA drängen ähnliche Initiativen die Unternehmen zu einem umweltfreundlicheren Betrieb. Die erneute Fokussierung der Regierung auf den Klimawandel hat zu strengeren Auflagen geführt, einschließlich der Verpflichtung zur Nutzung erneuerbarer Energien und zur Berichterstattung über Emissionen. Unternehmen müssen wachsam bleiben und sich an diese veränderten Anforderungen anpassen, um Strafen zu vermeiden und potenzielle Anreize für grüne Praktiken zu nutzen. Doch unter dem Strich  schlagen sich die Nordamerikaner recht gut mit ihren Bemühungen (s. auch Abb. 2).

(Abb. 2: CO2 AI + BCG Carbon Emissions Survey 2023, BCG

Auch lokale Regulierungen spielen eine wichtige Rolle. So können Unternehmen in Schwellenländern beispielsweise mit weniger strengen Regulierungen konfrontiert sein, aber aufgrund von infrastrukturellen Einschränkungen größere Herausforderungen bei der Umsetzung haben. Die Kenntnis der Feinheiten lokaler und globaler Regulierungen kann multinationalen Unternehmen helfen, effektivere, standortspezifische Strategien umzusetzen.

Der Einsatz von Technologie zur Einhaltung von Vorschriften ist ein wichtiger als auch spannender Aspekt. Auch hier kommen fortgeschrittene Analysen und KI und Einsatz und helfen Unternehmen dabei, regulatorische Veränderungen besser vorherzusagen und sich an sie anzupassen. So lassen sich beispielsweise die Auswirkungen potenzieller regulatorischer Änderungen simulieren, so dass Unternehmen ihre Strategien proaktiv statt reaktiv anpassen können.

Insgesamt erfordert die Navigation in diesen regulatorischen Landschaften einen proaktiven Ansatz, bei dem Verständnis, Einhaltung und Innovation ineinandergreifen, um potenzielle Herausforderungen in Chancen für eine führende Rolle im Bereich Nachhaltigkeit zu verwandeln. Diese strategische Vorgehensweise stellt nicht nur die Einhaltung der Vorschriften sicher, sondern positioniert die Unternehmen auch als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit.

Ausblick und abschließende Überlegungen

Es steht außer Frage, dass sämtliche Anstrengungen der Nachhaltigkeit im Supply Chain Management den globalen Handel neu definieren. Ein Großteil dieses Wandels wird durch Technologie vorangetrieben. Innovationen in Hochtechnologien wie KI, IoT und Blockchain werden die Wirksamkeit und Transparenz der Lieferketten weiter verbessern. Diese Technologien werden den Unternehmen nicht nur helfen, die aktuellen gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, sondern erschaffen auch neue Trends.

Die Erwartungen der Verbraucher:innen werden die Märkte auch weiterhin prägen. Mit wachsendem Bewusstsein wird von Marken und Unternehmen mehr verlangt. Nicht nur in Bezug auf die Produktqualität, sondern auch auf ethische und nachhaltige Produktionspraktiken. Es ist damit zu rechnen, dass dieser Wandel abermals weitere Innovationen im Bereich der Nachhaltigkeit in der Lieferkette anstoßen wird.

Auch die Regulierungen werden sich noch weiter verschärfen und von Unternehmen verlangen, dass sie ihre Nachhaltigkeitsstrategien noch stringenter und proaktiver gestalten. Unternehmen müssen diesen Veränderungen voraus sein, um die Vorschriften einzuhalten und somit wettbewerbsfähig zu bleiben. Das werden nicht zuletzt Stakeholder und Investor:innen an einem gewissen Zeitpunkt verlangen.

Organisationen, die sich diese Praktiken zu eigen machen, werden in einem zunehmend bewussten globalen Markt führend, innovativ und erfolgreich sein. Eine Investition in Nachhaltigkeit ist eine Investition in die Zukunft – eine hellere, grünere und profitablere Zukunft.

FAQs

F: Was sind die größten Herausforderungen bei der Integration von Nachhaltigkeit in die Lieferketten?  

A: Hindernisse wie steigende Kosten, mangelnde Technologieintegration und Widerstand gegen Veränderungen innerhalb der traditionellen Lieferkette. Auch die Sicherstellung von Flexibilität und Belastbarkeit sowie die Anpassung an den Regulierungsdruck stellen eine große Herausforderung dar.

F: Welche finanziellen Vorteile bieten nachhaltige Praktiken in der Lieferkette für Unternehmen?  

A: Eine verbesserte Ressourceneffizienz, weniger Abfall und eine höhere betriebliche Effizienz führen zu erheblichen Kosteneinsparungen. Langfristig können diese Praktiken auch den Ruf der Marke und die Loyalität der Kundschaft stärken, was zu einer höheren Rentabilität führt.

F: Wie wirken sich globale Regulierungen auf die Nachhaltigkeit der Lieferkette aus?  

A: Regulierungen wie der Green Deal der EU, das Lieferkettengesetz und andere nationale Gesetze zwingen Unternehmen dazu, nachhaltigere Praktiken einzuführen. Diese Gesetze verlangen, dass Unternehmen den Kohlendioxidausstoß reduzieren, die Arbeitsbedingungen verbessern und ethischere Beschaffungsstrategien sicherstellen.

F: Welche Rolle spielt die Kooperation bei der Verwirklichung einer nachhaltigen Lieferkette?  

A: Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Interessengruppen – einschließlich Lieferant:innen, Kund:innen und sogar der Konkurrenz – ist zentral für den Austausch von Best Practices, den Abbau von Redundanzen und die Innovation von Nachhaltigkeitsinitiativen. Solche Kooperationen können zu umfassenderen und effektiveren Nachhaltigkeitsstrategien führen.

F: Was sind die ersten Schritte, die ein Unternehmen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Lieferkette unternehmen sollte?  

A: Zu den ersten Schritten gehört eine gründliche Prüfung der bestehenden Abläufe, um das Verbesserungspotenzial zu ermitteln, klare und messbare Nachhaltigkeitsziele festzulegen und mit den wichtigsten Interessengruppen in Kontakt zu treten, um Unterstützung zu gewinnen. 

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